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Aus dem Zoologischen Garten Basel (Dir. Dr. Peter Studer)
Siebente Backenzähne (4. Molaren) im Unterkiefer eines Afrikanischen Elefanten ( Loxodonta africana).
Von Ernst Lang, Daniel Meier und Daniel Oppliger

Die Bildung und der Wechsel der Kauzähne der 1952 und 1953 nach Basel importierten Afrikanischen Elefanten wurde wärend ihres ganzen Lebens sorgfältig überwacht und registriert. (Wachstum und Zahnwechsel bei Afrikanischen Elefanten ( Loxodonta africana) im Tiergarten Basel, Ernst M. Lang, Sempach). Damals haben wir festgestellt, dass

der I. Zahn ( D2 *) Ende des zweiten Lebensjahres,

der II. Zahn ( D3 ) während des fünften Lebensjahres,

der III. Zahn ( D4 ) im zehnten oder elften  Lebensjahr,

der IV. Zahn ( M1 ) im vierundzwanzigsten oder fünfundzwanzigsten  Lebensjahr und

der V. Zahn ( M2 ) im Alter von  fünfunddreissig Lebensjahren verloren geht.

Es gilt als gesichert, dass Afrikanische Elefanten im Ganzen sechs Kauzähne im Laufe ihres Lebens ausbilden, drei Milchmolaren (D2, D3, und D4) und drei Molaren (M1, M2 und M3) und dass nach Verlust oder nach vollständigem Abkauen des sechsten Zahnes  (M3) das Leben langsam zu Ende geht, weil die Nahrung  nicht mehr richtig aufgeschlossen werden kann. Die Bildung eines siebten Backenzahnes wurde unseres Wissens  bis heute nirgends beschrieben.

Da die im Jahre 1952 für den Zoologischen Garten Basel aus Tansania importierten afrikanischen Elefanten ein etwas ungünstiges Geschlechtsverhältnis hatten (2,2),  haben wir uns bemüht, ein weiteres weibliches Jungtier in ungefähr dem gleichen Alter dazu zu bekommen. Im Sommer 1953 konnten wir ein passendes Tier, das Weibchen „Beira“, von der Firma Carl Hagenbeck in Stellingen kaufen. Es wurde aus Laurenzo Marques in Mozambique verschifft und traf am 9. 10. 1953 in Basel ein. Beira war, nach den Backenzähnen zu schliessen, etwa ein Jahr älter als unsere Elefanten. Sie fiel durch eine etwas feinere Haut und weniger tiefe Hautfalten auf. Sie fügte sich problemlos in die bestehende Gruppe ein und machte bei den Dressurübungen von Anfang an mit (Foto 1). So machte sie mit den anderen Elefanten des Zoos im Sommer 1956 die Saison in der Manege  mit dem Schweizer Nationalzirkus KNIE  die Reise durch die ganze Schweiz mit (Foto 2).

Am 27. 9. 1958, also im Alter von ca.7 Jahren zeigte Beira erstmals Brunsterscheinungen. Sie verlor Schleim aus der  Vagina und hielt sich auffällig mit dem Bullen Katoto zusammen, der  sich jedoch zum Decken noch als zu jung erwies. Die Brunsterscheinungen wiederholten sich mehr oder weniger regelmässig alle drei Monate. Beira wurde am 7. 6. 1960 erstmals von Katoto gedeckt. Am 4. 2. 1962 erfolgten am gleichen Tag zwei Deckakte und das wiederholte sich nun mit ziemlicher Regelmässigkeit alle drei Monate. Auch Omari, der andere Bulle, beteiligte sich an diesem Liebesspiel und mehrfach wurde Beira am gleichen Tag  von beiden Bullen gedeckt. Aber eine Schwangerschaft stellte sich bei ihr nicht ein, während Idunda, ein anders Weibchen der Gruppe,  am 13. 1. 1960 ein Junges, „Ota“, gebar.  Beira zeigte grosse Zuneigung zu dem Elefantenkind und wirkte bald auf der Freianlage als „Tante“. Auch den am 9. 4. 1992 geborenen Pambo betreute sie mütterlich. Beira war der ruhende Pol in der Elefantengruppe. Das Elefantenreiten u. a. auf Beira ist vielen Kindergenerationen in lebendiger Erinnerung geblieben.

Am 19. 3. 1971 war bei Beira der linke Ohrknorpel gebrochen, sodass das Ohr schlaff nach vorne hing. Wir versuchten das Ohr zu fixieren, aber ohne Erfolg, denn jede Fixation wurde von Beira oder von  ihrem Nachbar abgerissen. Bis an ihr Lebensende hatte Beira dieses schlaffe Ohr.

Am Morgen des 28. 5. 1998 wurde Beira  in der Freianlage am Boden liegend gefunden und war nicht mehr in der Lage aufzustehen. Jeder Versuch sie aufzurichten schlug fehl und es blieb den Veterinären nichts anders mehr übrig, als Beira zu euthanasieren.  Sie war mit ca. 48 Jahren sicher der älteste in Gefangenschaft lebende Elefant.

Die Untersuchung der beiden grob entfleischten  Kiefer zeigte für das Alter des Tieres noch sehr lange 6. Backenzähne (M3), Foto 3 und 4. Mit Erstaunen fanden wir im Unterkiefer auf beiden Seiten distal des M3 einen weiteren Zahn, einen siebten Backenzahn (Foto 5 und 6). In diesem Zustand war die Form und Grösse der Zähne noch nicht abschätzbar. Erst die mazerierten Kiefer zeigten genaueres, Foto 7 und 8. Die  beiden M 3 des Oberkiefers  haben folgende Masse: rechts  25 x 7.8 cm mit 10 Lamellen und links 24.5 x 7.9 cm mit 9 Lamellen. Die beiden M3 im Unterkiefer haben folgende Masse: rechts 25 x 7.4 cm mit 12 Lamellen und links 25.5 x 7.2 cm mit 10 Lamellen. Der linke M3 zeigt einen Querbruch, der bis in die Wurzel reicht und occlusolingual fehlt ein Stück Zahn (Fotos 9 und 10).Beide siebte Zähne sind nicht angekaut und hätten, da im Oberkiefer kein entsprechender Zahn vorhanden ist, auch nie in Funktion treten können.  Die beiden Fotos 11 und 12 zeigen die beiden zusätzlichen Zähne noch im Kieferknochen. Erst nach dem Entfernen der 6. Molaren und dem Herauspräparieren dieser zusätzlichen Zähne löste sich das Rätsel über deren Grösse und Form. Die  Wurzelspitzen beider Zähne reichten bis an den Kieferwinkel (Fotos 13 und 14). Der Rechte  4. Molar zeigt 4 Wurzeln, hat die Masse 7.2 x 6.0 cm und wiegt 0.78 kg. Die Länge der Wurzeln beträgt in ihrer grösste Dimension 16.4 cm (Foto 16). Occlusal ist eine Lamelle angedeutet. Im Querschnitt sind aber vier Lamellen und ein grossvolumiges Pulpakanalsystem sichtbar ( Fotos 17 und 18). Der Linke 4. Molar hat nur 2 Wurzeln, die Grösse beträgt 5.2 x 6.2 cm und hat ein Gewicht von 0.62 kg. Die grösste Länge der Wurzeln misst 15.6 cm (Foto 15). Dieser Zahn zeigt occlusal auch eine Lamelle, da wir den Zahn aber intakt liessen, ist die Anzahl der Lamellen nicht bekannt. Die Fotos 19 und 20 zeigen die beiden 3. und 4. Molaren in ihrer Lage zueinander.

Zusammenfassung
Es gilt als gesichert, dass Afrikanische Elefanten im Ganzen sechs Kauzähne im Laufe ihres Lebens ausbilden. Bei der im Basler Zoologischen Garten, am 28. 5. 1998 ,im Alter von ca. 48 Jahren gestorbene Elefantenkuh „Beira“, fanden wir im Unterkiefer links und rechts je einen zusätzlichen Zahn, der beschrieben wird.

Verdankungen
Für die Durchsicht des Manuskripts danken wir Herrn Dr. B. Engesser und Herrn Ch. Scherler, Naturhistorisches Museum Basel.

Schrifttum
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Anschrift der Verfasser
Prof.Dr. Ernst M. Lang, Mattweid 22, CH-6204 Sempach.
Dr.med.dent. Daniel Meier, Leimenstrasse 57, CH-4051 Basel.
Daniel Oppliger, Naturhistorisches Museum Basel, Augustinergasse 2, CH-4001 Basel.



* Der D1 ist in der Stammesgeschichte verlorengegangen. Es ist  eine paläontologisch-zoologische Bezeichnung, vergleiche THENIUS, E. (1989) : Zähne und Gebiss der Säugetiere. Handbuch der Zoologie, Band VIII Mammalia, Teilband/Part 56, Walter de Gruyter, Berlin/New York.

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